Sagen der Heimat


Sagen und Geschichten aus dem Schwarzwald sind in vielen zusammengestellt worden. Sagen aus unserer Landschaft, zwischen Enz und Nagold sind in einem Buch "Sagen der Heimat" aus dem Verlag Bernhard Gengenbach (1979), zusammengestellt von Rotraud Pfaff, zu finden. Einige davon aus Neuenbürg und Umgebung, sind hier zu finden.



Der ewige Jäger


Im Buhwald bei Neuenbürg (am Abhang des Sägkopfes gegen die Enz) ist der ewige (oder wilde) Jäger oftmals gesehen und gehört worden, gewöhnlich zu Fuß mit einem Hammer, der an einem ledernen Riemen hing. Mehrere Hunde liefen voraus und »bollen«, zuweilen auch nur einer, den er an einem langen Riemen führte. Er jagt auch wohl auf einem raschen Schimmel dahin und macht großen Lärm und ist kopflos. Er jagt vom Buhwald bis Herrenalb und lässt sich namentlich in dem wilden »Gaistale« hören. Ferner jagt er im Enztale auf dem Berge Heimenhart und auf dem Eiberg zwischen Wildbad und Dobel, wo er die Menschen irreführt. Er hat hier ebenfalls einen Hammer und klopft damit im Walde bald hier, bald dort. Dann ist er auch als »Schimmelreiter« hier gesehen worden, indem er seinen eigenen Kopf unterm Arme trug. Man sagt, er habe einst im frechen Übermut in die Sonne geschossen und müsse deshalb umge hen.

Genauer wird darüber anderwärts erzählt: Der ewige Jäger habe in der Weihnacht oder Karfreitagnacht gegen die Sonne geschossen, worauf Blut herabgeflossen sei. Dieses habe er in einem Tuche aufgefangen und Bleikugeln damit benetzt. Mit solchen Kugeln habe er alles treffen können, was er nur habe erreichen wollen. Seien die Kugeln verschossen gewesen, so habe er von neuem einen Schuß gegen die Sonne getan. Dafür muss er nun jagen und zieht mit Hundegebell und Jagdgetöse in der ganzen Welt umher.

In einem Walde dieser Gegend, in dem der wilde Jäger seinen Spuk trieb, verirrte sich einst ein Mann. Als er endlich ins Freie gelangte, verfolgte ihn ein Reiter. Der war bald so nahe hinter ihm, dass er rasch zur Seite weichen musste, um nicht niedergerissen zu werden, bald schien er in weiter Ferne zu traben. So kam der Mann endlich zu einer Frau, die sich gleichfalls beklagte, dass ein Reiter sie beständig bedroht habe. Während sie aber so miteinander sprachen, war der gespenstische Reiter - niemand anders als der wilde Jäger - plötzlich verschwunden.

Ein Fuhrmann von Enzklösterle wollte einst am Abend von der Lehensägmühle über den Eiberg nach Hause. Im Walde begegnete ihm ein Jäger mit zwei Hunden, den er für einen Förster hielt und anredete. Statt einer Antwort klopfte derselbe mit einem Hammer fortwährend an die Bäume. Plötzlich war der Fuhrmann mit Pferd und Wagen drüben auf der anderen Seite des Enztales, auf dem Meistern, ohne dass er von der Fahrt durch die Luft etwas gespürt hätte und ohne dass ihm ein Leid widerfahren wäre.

Auch ein Wildschütz sah einmal den wilden Jäger. Weil er aber in demselben einen herrschaftlichen Waldhüter vermutete, so legte er die Flinte auf ihn an. In dem Augenblick, als er abdrückte, stürzte der Wilddieb tot zu Boden.


Der Neuenbürger Geisterspuk

Im Jahre 1780, also drei Jahre vor dem großen Stadtbrande, erregte eine unheimliche Geistergeschichte in Neuen bürg großes Aufsehen. Schon längere Zeit wurde gemunkelt, in dem Hause des Hafners Johann Jacob Emmendörfer, das an Stelle der Vesterschen Küferei stand, sei es nicht geheuer. Man wollte um das Haus und in den Fenstern oft eine unnatürliche Helle gesehen haben. Es blieb zunächst bei den dunklen Gerüchten, die im Städtlein die Runde machten. Aber schließlich sah sich der Meister im genannten Jahre gezwungen, selbst Anzeige beim Oberamtmann zu erstatten.

Schon seit etwa dreißig Jahren würden von ihm, seiner Frau und seiner Tochter die Geister beobachtet. Es seien ihrer in der Hauptsache drei: ein Mann von etwa vierzig Jahren in rotbraunem Rock und mit Samtkappe, ein Jüngling von zwanzig Jahren in Müllerkleidern und ein Mädchen von ungefähr acht Jahren. Sie hätten zwar noch niemand ein Leid zugefügt, aber die Aufregung im Hause werde täglich größer, besonders bei seiner Tochter, die, einmal nach Karlsruhe verbracht, auch dort belästigt worden sei. Am hellen Tage stünden sie oft neben ihm, dem Meister; kein Geselle wolle mehr bleiben. Meist erschienen sie aber des Nachts, kämen an die Betten, beteten, seufzten und stöhn ten. Hin und wieder höre er seinen Namen rufen, höre sie rumoren und Türen und Fenster zuschlagen. Besonders unruhig sei es an den hohen Festtagen. Einmal, in der Nacht auf den Dreifaltigkeitstag, sei er mehrmals gerufen worden. Er sei aufgestanden und habe die Stubentür offen gesehen. Unter dieser sei eine hohe Truhe gestanden, in die sich gerade ein großer Mann in priesterlichem Gewand hineingebeugt habe und aus der allerlei goldene und silberne Kostbarkeiten herausgeschimmert hätten. Als er bemerkt worden sei, habe ihn der Mann hineinziehen wollen, allein er habe sich davon gemacht.

Frage man die Geister, was sie eigentlich wollten, so gäben sie nie eine Antwort, sondern winkten bloß, ihnen in den Garten hinaus zu folgen. Fange man an zu fluchen, so wein ten sie wie die Kinder. Einmal sei er, der Meister, an seiner Drehscheibe gesessen, da habe es unter ihm angefangen zu graben und zu poltern, und ein plötzlicher Stoß habe ihm den Lehm von der Scheibe geworfen. Beim Nachgraben an der Stelle sei er auf etwas Hartes gestoßen; er habe dann aber nicht gewagt, damit fortzufahren.

Auf Veranlassung des Oberamtmanns erboten sich nun einige beherzte Männer, in dem Hause zu wachen. Aber nur einem von ihnen war es vergönnt, »a bißle ebbes« zu sehen und zu hören. Trotzdem soll das Treiben der Geister nach her noch toller geworden sein, bis das Haus bald darauf ab gebrochen wurde. Darnach ist nichts mehr bemerkt worden.


Das Licht auf dem Stocke

Auf dem Heimweg vom Neuenbürger Markt wurden mehrere aus Pfaffenrot durch ein Gewitter so lang aufgehalten, dass sie erst spät in der Nacht an den Wald bei den Roßäckern kamen. Da es stockfinster war, äußerte einer der Männer: „Wenn wir doch ein Licht hätten, damit wir im Wald uns nicht verirrten!“ Kaum hatte das gesagt, so brannte oben auf seinem Stocke ein blaues Licht. Erschrocken darüber, stieß er es auf den Boden und in Wasserlachen; aber es erlosch erst, als sie den ganzen Weg durch den Wald zurückgelegt hatten.


Die Enz-Jungfrau

Der Neuenbürger Schloßberg trägt auf seinem Rücken, in dem Wäldchen hinter dem Schloß versteckt, die Reste der alten Burg: dicke Mauern aus Buckelquadern, ein Stück des Burggrabens und den dachlosen Bau eines ehemaligen Kornspeichers, in dem jetzt schlanke Bäume schatten. In dem Bergwald jenseits der Enz liegen die spärlichen Überreste der »Raubburg«, heute auch Waldenburg genannt.
Von diesen Ruinen weiß die Sage folgendes zu berichten: Der Mörtel beider Burgen ist mit Wein angemacht und des halb das Gemäuer von großer Festigkeit. Von der einen Burg zur andern führte vor Zeiten ein unterirdischer Gang, dessen Türen jetzt verschüttet sind. In ihm liegt ein Schatz, den ein schneeweißes Fräulein, die Enzjungfrau, hütet. Zu weilen sieht man sie abends von der Raubburg über die Schlößleinsbrücke auf das alte Schloß gehen, wo auch ein mitternächtliches Licht umwandelt und bis an die Enz her abkommt. In dieser sah einst ein Birkenfelder Mann einen weißen Schwan heranschwimmen und warf ihm drei Broc ken Brot zu. Da verwandelte sich der Schwan in die Enzjungfrau, die in einem Schiffchen von lauterem Golde saß und zu dem Manne sagte, er solle in der nächsten Nacht um zwölf Uhr auf das alte Schloß kommen, dort den Stein, welchen sie ihm beschrieb, beiseite schieben und in das Gemach darunter steigen. Dort werde er einen guten Fund tun. Zur bestimmten Zeit war der Mann auf der Burg, wälzte den Stein weg und öffnete dadurch den Zugang zu einer langen Treppe, die in das Gemach hinabführte. Darin brannte ein Licht; an der Wand stand ein Menschengerippe, mit einem Halseisen angekettet, und dabei auf dem Boden ein Topf, worin drei weiße Kirschkerne lagen. Weiter konnte der Mann nichts entdecken und ging deshalb unzufrieden nach Hause, wo er seinem Nachbarn alles erzählte. Von diesem ward ihm geraten, die Kirschkerne, welche wahrscheinlich Gold seien, zu holen. Aber als er es in der nächsten Nacht tun wollte, konnte er weder den Stein noch den Eingang wiederfinden.
Manche behaupten, die Kirschkerne würden, wenn der Mann sie genommen, sich in drei Schlüssel verwandelt ha ben. So hätte er den Gang aufschließen, den Schatz gewinnen und das Fräulein erlösen